Mord in bester Gesellschaft – Lynn Messina

Auf die Beatrice-Hyde-Clare-Romane der US-amerikanischen Autorin Lynn Messina bin ich schon vor einer Weile aufmerksam geworden, als diese in der Buchhandlung strategisch günstig platziert wurden. Der schlichte Stil der Cover mit dem angenehmen Vintagehauch aus floralen Motiven und gedeckten Farben hatte mich direkt angesprochen – und der Klappentext versprach eine Mischung aus Jane Austen und Agatha Christie. Wie könnte ich also einem Detektivroman in der Regency-Zeit widerstehen?

Eine Reise in das London des frühen 19. Jahrhunderts.

Die Lesenden erleben die Geschehnisse aus der Perspektive der jungen Beatrice Hyde-Clare. Wobei “jung” nach den Vorstellungen der Regency-Gesellschaft auf eine unverheiratete Frau Mitte zwanzig dann auch nicht mehr zutrifft. Dazu fristet Beatrice ihr ihr Leben als unerwünschte Waise bei der Familie ihres Vaters. Latente Harry-Potter-Vibes gibt es dadurch zwar hin und wieder, doch kümmern sich die Hyde-Clares eigentlich ganz gut um sie – verhalten sich jedoch generell wie eine durchaus typische Familie der Gentry (also des gehobenen Bürgertums): Pflegen der richtigen Kontakte, nur nicht negativ auffallen und nach einer möglichst guten Partie für Tochter Flora suchen. Beatrice mit ihrer oft verschrobenen Art und den gar nicht so damenhaften Gedanken hat schon längst beschlossen, lieber ihren Mund zu halten.

Während des gesamten Dinners stellte sich Miss Beatrice Hyde-Clare vor, wie sie Damien Matlock, den Duke of Kesgrave, mit Essen bewarf.

“Mord in bester Gesellschaft” – Lynn Messina. S. 7.

Als die Familie bei einer alten Schulfreundin ihrer Tante zu Besuch ist, geschieht dort jedoch ein Mord – und der Todesangst ins Auge blickend, löst sich bei Beatrice ein Knoten: Und sie beginnt zu ermitteln. Denn sie, die sonst kaum einen Ton herausbekommt, wenn andere Menschen dabei sind, entdeckt ganz neue Talente in sich. Verzichten könnte sie dabei jedoch sowohl auf die Dramatik ihrer Tante als auch auf die Arroganz des Duke of Kesgrave.

Kluge Dialoge, Witz und viele Spitzen gegen die Gesellschaft

Während dank Serien wie Bridgerton die Regency-Zeit gerade ein echtes Pop-Cultural-Revival erlebt, fehlt mir bei Büchern dieser Zeit oft das gewisse Etwas. Anders als Jane Austen und andere zeitgenössische Autorinnen, verschaffen es moderne Autor*innen oft nicht, ein so echtes und zugleich humorvolles Bild der Zeit zu zeichnen, das über die schnöde Lovestory hinweggeht. Der Versuch, Gesellschaftskritik einzubauen verläuft oft zunächst in unrelevanten Nebensträngen und schließlich komplett im Sand und allzuoft besteht das Drama aus Missverständnissen. Die Kombination mit einem Kriminalfall im Vordergrund kam mir in der Reihe von Lynn Messina daher genau recht.

Es erklärt auch, warum die so unterschiedlichen Figuren überhaupt zusammen kommen. Denn unter normalen Umständen, würden die Waise Miss Hyde-Claire und ein Duke of Kesgrave kaum im selben Raum verweilen. Aber so funktioniert es und wie! Beatrice ist klug und witzig und all das sollte sie eigentlich nach damaligen Maßstäben nicht sein. Dazu kommen die Spitzen ihrerseits, dass sie vermutlich einfach nur 200 Jahre zu früh geboren wurde und es zu heutiger Zeit sicherlich ganz anders aussehen wird. Manchmal, ganz ehrlich, ist wusste nicht, ob ich lieber Lachen oder Weinen wollte, bei all der Kritik an der heutigen Gesellschaft, subtil untergebracht in Dialogen einer Regency-Frau.

Und dann sind da noch die Banter, das Geplänkel (was für eine furchtbar banale Übersetzung dieses Wortes!) zwischen Betreibe und dem Duke ist Zucker! Allein dafür bin ich gespannt, wie die beiden Figuren im zweiten Teil wieder aufeinander treffen werden.

Dann also bis zum nächsten Mal, Eure Durchlaucht. Ich würde vorschlagen, Sie bringen Ihre Pedanterie mit und ich die Rosinenbrötchen.

“Mord in bester Gesellschaft” – Lynn Messina. S. 347.

Klappentext von “Mord in bester Gesellschaft” von Lynn Messina

“Ende der Langeweile einer idyllischen Landpartie. Als Beatrice Hyde-Clare kurz nach Mitternacht in der Bibliothek von Lakeview Hall über die Leiche eines Gastes stolpert, ist es mit ihren hehren Vorsätzen weiblicher Zurückhaltung vorbei. Offiziell wird als Todesursache Freitod angegeben, Beatrice aber weiß es besser. Schließlich hat sie den eingeschlagenen Schädel des unglückseligen Mr. Otley gesehen. Ebenso wie der provozierend arrogante Duke of Kesgrave, der seltsamerweise alles daransetzt, den brutalen Mord als Selbstmord erscheinen zu lassen …” (Quelle)

“Nichts ruiniert eine elegante Teegesellschaft mehr als ein Mord”

Die Mordermittlung selbst geht dabei in der gemütlichen Art der Agatha-Christie-Romane oder anderer Detektiv-Romane, wie z. B. Sherlock Holmes, daher. Dabei ist besonders spannend eben auch der Umstand, dass sich Beatrice nicht einfach unbekümmert durch das Haus ihrer Gastgeber*innen bewegen kann. Es muss dem Anstand und der Etikette genüge getan werden, Tante Vera möchte unbedingt jeden ihrer Schritte kritisieren und maßregeln – und auf gar keinen Fall darf sich Beatrice allein mit einem der Männer in einem Raum aufhalten. Trotz des ernsten Anlasses ihrer Ermittlungen, ist der Roman daher eine klassische Cozy-Crime-Novel.

Was mich ehrlich gestört hat an dem Buch war die unnötig häufige Betonung darauf, wie normal und unscheinbar Beatrice ist. Was mich anfangs so sehr gefreut hat, mal keine überbordend schöne und engelsgleiche Figur, sondern eine eher unscheinbare Frau als Protagonistin eines Romanes, wird dann leider ins Gegenteil gekehrt. Spielte es damals für Frauen zwar eine überlebenswichtige Rolle, um ihrer damals quasi einzigen Bestimmung nachzukommen, empfinde ich es aus heutiger Sicht zu wenig reflektiert wiedergegeben. Ich hoffe, dass sich das in den Folgebänden etwas legt.

Titel: Mord in bester Gesellschaft (Original: “A Brazen Curiosity: A Regency Cozy Historical Murder Mystery”)*
Autorin: Lynn Messina
Formate: Broschiert und eBook
Erschienen am 28. Juli 2022 im Thiele & Brandstätter Verlag, übersetzt von Karl-Heinz Ebnet
ISBN: 978-3-8517-9509-7
Kurzmeinung: Der Auftakt der Beatrice-Hyde-Clare-Reihe ist eine Cozy-Crime-Novel, bei der Agatha Christie auf Jane Austen trifft. Eine kluge und witzige Protagonistin mit einem pedantischen Counterpart versprechen spannende Lesestunden, nach denen man am liebsten gleich selbst Scones backen und Tee servieren möchte.
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