Rechte Verlage sind nach wie vor auf Buchmessen präsent und können dort ihre Ideologien verteilen – eigentlich nichts neues. Doch statt diesem Umstand mal einen Riegel vorzuschieben und die offenbar leeren Worthülsen der Vielfalt und Moderne auch zu meinen, Durfte einer von ihnen diesmal einfach mal neben den großen Ständen des ZDF logieren. Janina Kuhnke rief zum Messe-Boykott auf, da sich die Schwarze Autorin unter diesen Bedingungen nicht sicher fühlte. Viele andere Autor*innen folgten ihrem Beispiel und sagten Auftritte, Lesungen und Besuche auf der Messe ab. Und die Buchmesse? Die Buchmesse gibt ein Statement zum Besten, in dem sie darauf hinaus will, dass auch Rechtspopulismus eine Meinung sei (Spoiler: Nein. Nein ist er nicht) und zur Meinungsvielfalt dazu gehöre.
Warum das “Sicherheitskonzept” kein Argument ist.
In ihrem reaktionellem Statement verweist die Messe (gemeinsam mit dem Börsenverein) darauf, dass es ein Sicherheitskonzept und daher keinen Grund gäbe, sich auf der Messe nicht pudelwohl fühlen zu können. Schön gesagt, liebes vermutlich 100 % weißes Management-Team. Aber sollten bei einer solchen Aussage nicht auch und gerade die Einschätzung von BIPoC zu Rate gezogen werden? Weil ehrlich: Meine größten Sorgen bei der Messe sind, dass mich jemand anrempelt und meine Nikon klaut, meinen Corny verkrümelt oder dass ich wieder eine Klokabine ohne Papier auswähle. Ich würde also nicht einmal im Traum daran denken, eine solche EntscheiDung ohne unterschiedliche Meinungen jener Gruppen einzuholen, für die die Anwesenheit eines solchen Verlages ein harter Schlag ins Gesicht sein muss.
Aber im Statement der Messe ist sogar von “Personen, die einem höheren Sicherheitsrisiko ausgesetzt sind”, die Rede. Das Problem scheint bekannt zu sein – und die logische Schlussfolgerung ist daher – Naziz den roten Teppich auszurollen und sich dann betreten zu geben, weil genau diese Personen mit dem “höheren Sicherheitsrisiko” lieber zuhause bleiben und auf die wertvolle Marketingplattform einer Messe zu verzichten? Was kommt als nächstes, das die Autor*innen, die ihre Anwesenheit abgesagt haben, Schuld daran sind, dass kein Diskurs mit den Nazis entstehen kann? Vermutlich dürfen wir gespannt sein, denn hier gibt es bestimmt noch einige weitere “Episoden”, ehe hoffentlich auch die Buchmesse einsieht, dass rechtes Gedankengut keine Meinung ist. Rassismus ist keine Meinung. Und Hass auch nicht.
Apropos: Keine Buchmesse ohne Meinungsfreiheit?
Die Buchmesse schreibt weiterhin auf ihrem Instagram-Kanal, dass es für sie “keine Buchmesse ohne Meinungsfreiheit” gäbe – auch “für Inhalte, die man aus gutem Grund ablehnen kann.” Ich finde: Das gilt nicht für “Meinungen”, die andere Meinungen unterdrücken und diffamieren. Ich finde aber auch, dass wir dringend über das “kann” in dieser Aussage reden müssen – sollte es nicht “muss” heißen? Und geht es hier eigentlich noch um “Inhalte” oder wirklich nur noch darum, wer die Standmiete pünktlich zahlen kann – gerade in einem Jahr, in dem viele Autor*innen und Verlage mit ihrer Präsenz noch verhalten agieren? So oder so: Ein solches Statement macht traurig und lässt echt tief blicken.
Ist ein Boykott das richtige Mittel?
Natürlich lässt sich darüber streiten, ob ein Boykott das richtige Mittel ist. Darüber wird auch schon genug diskutiert, ob vom SPIEGEL, der taz oder dem Börsenverein selbst. Ich würde daher gern Meron Mendel, dem Direktor der BilDungsstätte Anne Frank, zustimmen, der in einem Statement erklärt hat: “Die Antwort ist m. E. nicht ein Boykott, sondern im Gegenteil: mehr Präsenz von BIPOC, Juden und Verbündeten, um gemeinsam ein Zeichen zu setzen.” Doch hilft das keiner Autorin, die kurzfristig erfährt, dass ein neurechter Verlag quasi einen Logenplatz neben dem “Blauen Sofa” hat, auf dem sie ihren Debütroman vorstellen kann. Es hilft nicht, wenn ich mich als marginalisierter Mensch nicht nur einer Gefahrensituation ausgesetzt fühle, sondern dies auch noch ohne nennenswerte Vorbereitungszeit geschieht. Hier stattdessen die Teilnahme abzusagen, statt wie gefordert die Stirn zu bieten, erscheint auch mir, die ich eine solche Angst nie auf mich bezogen erleben musste, eine logische Schlussfolgerung.
Mein kleiner Anteil am Diskurs
Normalerweise schreibe ich in diesem Format ja eher nur über Dinge, die mich gerade bewegen. Aber diesmal folgt hier eine Liste mit den Neuerscheinungen jener Autor*innen, die ihre Teilnahme an der Messe aufgrund der Haltung der Messe-Verantwortlichen abgesagt haben.
- Jasmina Kuhnke – Schwarzes Herz
- Raul Krauthausen – Wie kann ich was bewegen?
- Evein Obulor – Schwarz wird großgeschrieben
- Annabelle Mandeng – Umwege sind auch Wege
- Nikeata Thompson – Schwarz auf weiß
- Riccardo Simonetti – Mama, ich bin schwul
- Ciani-Sophia Hoeder – Wut und Böse
Die Liste hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Schreibt mir, wenn ich jemanden ergänzen muss, die:r hier vergessen wurde an post@vielleichtaberdoch.de.
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