Am 21. März ist der internationale Tag gegen Rassismus. Erstmals 1966 von der UNO ausgerufen, soll dieser Tag auf die weltweiten Probleme von Rassismus und Diskriminierung aufmerksam machen. Jedes Jahr werden deshalb weltweit Veranstaltungen und Aktionen organisiert, um das Bewusstsein für diese Themen zu stärken und ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen. Dass das natürlich längst nicht reicht, um die Wurzel von Rassismus zu zerstören, nämlich das Begreifen rassistischer Strukturen in so ziemlich allen Ecken unserer Gesellschaft, liegt nahe. Dennoch ist es ein guter Ankerpunkt. Einer den ich auch gern nutzen möchte, um ein paar Bücher zum Thema zu empfehlen.
Der Hintergrund des internationalen Tages gegen Rassismus
Zugegeben, als vor 63 Jahren im südafrikanischen Sharpeville Schwarze gegen diskriminierende Passgesetze des Apartheidsystems demonstrierten, war die Welt noch etwas anders als heute. Doch wer glaubt, dass Rassismus inzwischen nur etwas ist, was sich in der hintersten rechten Ecke finden lässt, irrt sich leider trotzdem. Damals ging der Staat brutal gegen die Demonstrant*innen vor, neunundsechzig Menschen wurden von der Polizei erschossen. Und obwohl das damals weltweit kritisiert wurde, sorgt das rassistische Denken in unseren Köpfen auch noch heute dafür, dass Schwarze Menschen viel öfter Opfer von Polizeigewalt werden.
Dabei sind eben besonders die unbewussten Rassismen ein Problem, denn sie hindern uns als Gesellschaft auch daran, Opfern von Rassismus beizustehen, statt uns selbst als Opfer zu inszenieren, wenn meine unbewussten Vorurteile von anderen aufgezeigt werden. Eigentlich ist jede Form von Diskriminierung dabei in Deutschland durch das Antidiskriminierungsgesetz und das Grundgesetz verboten – und ähnliche Mechanismen greifen in vielen anderen Ländern. Da sich aber gerade die unbewussten Vorurteile oft gut verstecken und in Form von Mikroaggressionen wie kleine Nadeln immer und immer wieder einsetzt werden, fällt es vielen nicht auf – eben solange, wie sie nicht selbst davon betroffen sind oder anfangen, denen zuzuhören, die es betrifft. Und sie werden auch selten rechtlich verfolgt, weil auch das am Ende Teil des rassistischen Systems ist.
Stetes Erweitern der eigenen Perspektive
Ein stetes Erweitern der eigenen Perspektive ist daher nötig, um zu verstehen, dass nicht alle Menschen die gleichen Erfahrungen machen wie wir selbst und schon gar nicht die gleiche Wahrnehmung haben.
Das Problem bei Büchern gegen Rassismus ist dabei, dass besonders wir weißen Menschen uns so ungern sagen lassen, dass wir rassistisch handeln. Teil des Problems ist, dass wir “Rassismus” oft als Synonym zu den Gräueln der NS-Zeit nutzen. Die Abwehrhaltung ist daher erstmal nachvollziehbar. Echt. Und doch ist sie falsch, denn niemandem ist geholfen, wenn sich weiße Leute ausschließlich angegriffen fühlen und in den “Aber das habe ich gar nicht so gemeint”-Modus wechseln. Leider tun sie das aber verdammt oft. Oder ich sollte besser sagen: tun wir. Denn egal wie viel ich über das Thema lese, auch ich bin eine weiße cis Frau, die in einem rassistischen System groß geworden ist und damit ob gewollt oder nicht gewollt, von dessen Existenz profitiert.
5 Bücher, die ihr (nicht nur) zum internationalen Tag gegen Rassismus lesen solltet.
Vor zwei Jahren habe ich fünf herausragend großartige Bücher zum Thema Antirassismus empfohlen, diese Liste ist nach wie vor aktuell. Aber es wurde auch längst Zeit, diese Liste zu erweitern. Hier kommen daher fünf weitere Bücher, die Du kennen solltest. Und wenn Du am Ende feststellst, dass vier der insgesamt zehn Bücher aus der Feder der großartigen Tupoka Ogette stammen, sei Dir versichert, dass das absolut und zu hundert Prozent so sein muss.
Und jetzt Du. – Tupoka Ogette*
Vor etwa einem Jahr war ich zur Lesung von Tupoka Ogette, als dieses Buch druckfrisch als Hardcover erschienen war. Ich war einmal mehr beeindruckt von dieser klugen Frau, die so viel aus ihrem Leben teilt und daraus ableitet, damit wir als Gesellschaft endlich besser funktionieren. Ich war begeistert von der Chemie zwischen ihr und Alice Hasters, die diesen Abend moderierte und deren Buch “Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten” Du auf der anderen Liste findest. Und ich spürte eine merkwürdige Mischung aus Überraschung, Freude und am Ende auch Traurigkeit über das im Grunde komplett weiße Publikum, das alles annahm und eben mal keinen der üblichen Ausflüchte hervorbrachte (zumindest soweit ich es mitbekommen habe). Traurig war ich vor allem, weil der Weg dahin, dass das ganz normal ist, eben noch so weit ist.
Aber genau hier setzt Tupoka an und sie ist so unglaublich gut darin. Geprägt hat sie vor allem die eingängige Phrase “Bye Bye Happyland”, wobei das “Happyland” eben jene Einstellung weißer Menschen ist, nicht über die Existenz eines rassistischen Gesellschaft und deren Folgen nachdenken zu wollen. Jetzt ist ihr wunderbares Buch als Taschenbuch neuerschienen und sollte meiner Meinung nach wirklich in keinem Bücherregal fehlen.
Klappentext von “Und jetzt Du.”

“Wir alle sind rassistisch sozialisiert. Rassismus findet sich in jedem Bereich unseres Lebens, unserer Gesellschaft. Allerdings haben wir nicht gelernt ihn zu erkennen, geschweige denn darüber zu sprechen. Rassismuskritik ist kein Trend und keine Phase. Rassismuskritisch denken und leben ist die Möglichkeit, Gesellschaft aktiv mit- und umzugestalten und eine gerechtere Welt für uns alle zu schaffen. Denn die echte Auseinandersetzung mit Rassismus eröffnet einen neuen Blick auf uns selbst und unsere Mitmenschen. Sie ermöglicht neue Perspektiven und Begegnungen. Sei dabei! Entscheide dich jeden Tag bewusst dafür, das System Rassismus Stück für Stück zu dekonstruieren. Tupoka Ogette ist DIE deutsche Vermittlerin für Rassismuskritik. Ihr Buch gibt dir – konkret und alltagsnah – Anregungen, wie du rassismuskritisch leben lernst. Im Freundeskreis, in der Familie, als Lehrer*in in der Schule, in der Freizeitgestaltung und im Beruf.” (Quelle)
Erschienen am 15. März 2023 bei Penguin, ISBN: 978-3-328-11030-9.
Tag für Tag aktiv gegen Rassismus – Tupoka Ogette*
Passend zur neuerschienenen Taschenbuch-Ausgabe von “Und jetzt Du.” ist von Tupoka Ogette mit “Tag für Tag aktiv gegen Rassismus” auch ein Journal erschienen. Illustriert von Patricia Vester ist dieses Buch ein toller Begleiter, um sich kreativ mit dem Thema Antirassismus auseinander zu setzen.

Das Journal bietet dabei Tag für Tag neue Denkanstöße zum Thema und ermöglicht Selbstreflexion und neue Perspektiven. Dabei gibt es rassismuskritischen Basis-Input, viel Wissen über verschiedene BIPoC-Persönlichkeiten aus der Geschichte und eine Unmenge an Tipps mit weiterführender Literatur, mit Podcasts, Serien und Filmen.
Ich selbst nutze zwar keinen analogen Kalender und daher auch nicht die Möglichkeit, mir z. B. Termine einzutragen, aber theoretisch ist auch das möglich und dank der datumsunabhängigen Wocheneinteilung zu jedem Zeitpunkt möglich.
Erschienen am 15. März 2023 bei Penguin, ISBN: 978-3-328-60219-4.
Meine Haut packt aus – Brigitte Lunguieki Malungo
Dreizehn Kurzgeschichten. In nur dreizehn Kurzgeschichten erklärt Brigitte Lunguieki Malungo auf so vielfältige Weise, was Rassismus mit Betroffenen macht. Wie groß aber auch wie klein die Momente sind, wie unsichtbar für Nichtbetroffene. So leise das Buch auch ist, jede Geschichte für sich – so brutal laut ist das, was danach in meinem Kopf ablief. Ist es nicht eigenartig, dass die Logik des Verstandes, das Wissen, die Zahlen und Fakten, die die abstrakte Existenz des Begriffes “Rassismus” belegen, nicht gegen die vermeintliche Einfachheit einer Schilderung alltäglichen Verhaltens ankommen?
Mir haben die einzelnen Kapitel sehr zugesetzt, manche Geschichten “kannte ich schon”, weil es immer und immer wieder passierende Situationen sind, denen BIPoC ausgesetzt sind. Andere waren neu und sie alle eint, dass wir mehr darüber reden müssen.
Klappentext von “Meine Haut packt aus”

“Mutig legt die Autorin ihre seelischen Wunden offen und gewährt in bewegenden Kurzgeschichten einen Einblick in den Alltag von Schwarzen Frauen. Sie bringt unter anderem ein Thema zur Sprache, das nach wie vor verleugnet wird: Alltagsrassismus und Mikroaggressionen. Die Leser*innen werden dazu eingeladen, Rassismus zu erkennen, ihre Stimmen gegen ihn zu erheben und ein Zeichen zu setzen. »Meine Haut packt aus« ist auch ein empowerndes Buch, dessen Worte noch lange im Kopf nachhallen werden.” (Quelle)
Erschienen am 12. März 2023 bei BoD, ISBN: 978-3-7108-2180-6.
Was weiße Menschen jetzt tun können – Emma Dabiri*
Emma Dabiri ist keine Unbekannte: 2019 landete sie mit ihrem Debüt Don’t Touch My Hair auf der Shortlist für den Irish Book Award und auch diesmal steigt sie steil ein, kritisiert den Begriff “Allyship” und fordert statt des verbreiteten Narrativs “Guck mal, wir netten weißen Leute helfen in unserer Gutherzigkeit jetzt mal den Opfern von Rassismus” echte Koalition. Es geht darum, damit aufzuhören, weiße Privilegien zu leugnen. Es geht um die Rolle des Kapitalismus in Bezug auf rassistische Strukturen – und um vieles mehr. Dieses Buch ist daher eher etwas für Fortgeschrittene, die sich ihrer Privilegien bewusst sind und nicht zimperlich damit umgehen.
Klappentext von “Was weiße Menschen jetzt tun können”

“In ihrem so radikalen wie praktischen Essay fordert Emma Dabiri die nächsten notwenigen Schritte, die wir alle gemeinsam gehen müssen, um dauerhafte Veränderungen für eine gerechte Gesellschaft zu schaffen:
- Wir müssen anders über rassistische Ungerechtigkeit sprechen.
- Wir müssen die rassistischen Kategorien »Weiß« und »Schwarz« als ausbeuterisches Konstrukt des Kapitalismus erkennen und bezwingen.
- Wir müssen uns gänzlich von repressiven rassistischen und klassistischen Denksystemen lösen.
- Wir müssen für gemeinsame Ziele, für alle Menschen einstehen.” (Quelle)
Erschienen am 24. Februar 2022 bei Ullstein (übersetzt von Marion Kraft), ISBN: 978-3-5480-6660-8.
Ein rassismuskritisches Alphabet – Topeka Ogette*
Dieses Buch sieht längst nicht nur schön im Regal aus, sondern ist ein wertvolles Nachschlagewerk zu verschiedenen Begriffen rund um das Thema Rassismuskritik. Gleichzeitig ist es auch ein Arbeitsheft, denn es ist viel Platz für eigene Gedanken da – eine gute Mischung also, um sich konstruktiv mit dem Thema und der eigenen Position damit zu beschäftigen. Das ist umso wertvoller als dass ich selbst z. B. viele neue Begriffe kennengelernt habe, die mir nicht bewusst waren. Durch die jeweiligen Einordnungen und Hintergründe dazu, bleiben sie im Kopf und ermöglichen eine sehr umfängliche Auseinandersetzung mit der eigenen Unwissenheit und dem gesellschaftlichen Versgen in Punkto Antirassismus.
Klappentext von “Ein rassismuskritisches Alphabet”

“Tupoka Ogette ist DIE deutsche Vermittlerin für Rassismuskritik – auf ihren vielen Plattformen erklärt sie ihrem Publikum täglich, was Rassismus bedeutet und wie wir ihm entgegentreten können. In »Ein rassismuskritisches Alphabet« ordnet sie jedem Buchstaben von A-Z einen Begriff rund um das Thema Rassismus zu, definiert und ordnet ihn anschließend ein. Anhand von Fragen der Autorin können die Leser*innen auf einer freien Seite das Thema vertiefen. Das vierfarbige »Nachschlagewerk« und Workbook basiert auf Tupoka Ogettes Alphabet auf ihrem Instagramkanal und erscheint erstmals überhaupt in Buchform.” (Quelle)
Erschienen am 28. September 2022 bei cbj, ISBN: 978-3-570-16640-6.
Habt ihr weitere Bücher, die auf dieser Liste nicht fehlen sollten? Folgt mir auf Instagram und erzählt mir in den DMs, welches Buch zum Thema euch zuletzt gefallen hat.
* Mit einem Stern markierte Bücher sind Rezensionsexemplare, die mir vom Verlag oder der*m Autor*in zur Verfügung gestellt wurden. Dabei halte ich mich strikt an meine Kooperationsregeln und bewerte jedes Buch so, wie ich es für angemessen halte.