Der Roman Someone New von Laura Kneidl sollte ein Standalone werden. Eine Geschichte um das Erwachsenwerden in einer Welt, die sich Diversity, Equality und Inclusive auf die Fahne geschrieben hat. Zum Glück haben sich Autorin und Verlag dafür entschieden, letztlich eine Trilogie zu publizieren und die Folgebände Someone Else und Someone To Stay folgen lassen, um noch weitere Themen dieses Spektrums abdecken zu können. Daraus entstanden ist eine herrlich sensible Trilogie mit lose verknüpften Geschichten.
Ähnlich wie bei ihrer Dilogie “Berühre mich. Nicht. / Verliere mich. Nicht.” hat sich die Autorin hier wieder einiger sehr sensibler Themen angenommen und setzt sie ganz bewusst in Szene. Die EntscheiDungen der Protagonist*innen sind daher nicht unbedingt immer die, die die Lesenden auch selbst treffen würden – in Anbetracht der Themenwahl aber ein schönes Stilmittel, um auf Problematik hinzuweisen.
SPOILERWARNUNG
Obwohl die Bücher nur lose aufeinander aufbauen, soll hier gar nicht zu detailliert auf die Handlung eingegangen werden. Dennoch sei an dieser Stelle ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Weiterlesen des Artikels mitunter das Lesevergnügen der Trilogie schmälern könnte – beware the spoilers!
In Mayfield prallen Welten aufeinander
Die Charaktere der Reihe sind dabei herrlich unterschiedlich in ihrer Art. Ich konnte mich in allen drei Protagonistinnen stückchenweise wiederfinden, was die Handlung noch einmal stärker erlebbar machte. Interessant ist hierbei, das kein Charakter als Aufgabe nur das Funktionieren einer Szene hatte. Niemand taucht hier plötzlich auf, um ein Plothole zu fixen und verschwindet dann wieder hinter einem Vorhang, jede Figur hat einen starken Handlungsbogen und wirkt weder überzeichnet noch platt. Auch bleiben sich die Figuren in den Folgeteilen treu.
Angesetzt ist die Handlung in der fiktiven amerikanischen Kleinstadt Mayfield. Es beginnt damit, dass sich Micah, die eigentlich einen viel längeren Namen hat, wie es sich für Kinder wohlhabender Menschen gehört, gegen ein Elite-College entscheidet, um ihren verschwundenen Bruder zu finden. Dieser hat, nach einem heftigen Streit mit den noch im Mittelalter lebenden Eltern, der Familie den Rücken zugekehrt.
Anfangs habe ich mich sehr an der überzeichneten Welt der Eltern gestört – sowohl Micahs Eltern als auch die von Julian sind, gelinde gesagt, very old fashioned. Aber sie das Ergebnis der Kreise, in denen sie sich bewegen, was Laura Kneidl auch sehr glaubhaft beschreibt – nicht, dass das die Figuren auf einmal sympathisch machen würde. Ich war dennoch sehr erleichtert, dass den Familien der jeweiligen Protagonist*innen in den beiden Folgeteilen wesentlich mehr charakterliche Tiefe gegeben wurde.
Zu viel des Guten?
Ich habe hin und wieder in Kurzrezensionen auf Instagram oder auch in längeren Auseinandersetzungen mit den Büchern gelesen, dass es zu viel sei. Zu viel Diversität. Da ist Micahs schwuler Bruder, dessen Abtauchen weite Teile des ersten Buches beherrscht. Da ist Die Nachbar-WG von Micah, in der neben Julian auch der LARP spielende Auri, und die mit Diabetes diagnostizierte Cassie leben. Auri ist zum Glück nicht die einzige Person of Color in der Romanreihe, denn auch Micahs Freundin Aliza hat keinen eurozentrischen Background: muslimisch sozialisiert versucht die Jura-Studentin in ihrem erfolgreichen Foodblog das beste aus ihren beiden Welten zu verbinden. Aber ist das nun zu viel? Auf keinen Fall. Und nochmal lauter für die Leute ganz hinten: Auf gar keinen Fall.
Allein die Tatsache, dass die Kombination all dieser menschlichen und gesellschaftlichen Facetten etwas ist, woran sich Leute stören, macht deutlich, wie viel wir davon noch brauchen. Wir brauchen mehr Held*innen in Rollstühlen, mehr Figuren mit Mental-Health-Problemen, mehr alleinerziehende Elternteile, mehr Patchwork, mehr BIPoC, mehr – von einfach allem. Es kann einfach im 21. Jahrhundert kein “zuviel Diversität” geben.
Laura Kneidl bringt das in ihren Büchern wunderbar unter und beschreibt die Themen mit der ihnen gebührenden Sorgfalt und Finesse (Fußnote: Sagt die weiße Frau mit Studienabschluss). Zu vielen der behandelten Themen wird sie, solange es in diesem Genre noch vergleichsweise wenige Own-Voices-Romane gibt, eine meiner liebsten Empfehlungen bleiben.
Eine schöne Trilogie mit starken Charakteren
Ich mochte alle Figuren sehr gern, auch wenn ich anfangs Probleme hatte, mit Micahs eher lauten Art klar zu kommen. Mein liebstes Buch ist jedoch der dritte Teil, in dem es um Lucien und Aliza geht. Zum einen fand ich den Konflikt von Aliza beeindruckend schön geschrieben und mochte die Einblicke, die Laura durch diesen Charakter in die Welt muslimisch sozialisierter Pakistani ermöglicht hat. Und auf der anderen Seite ist da der ruhige, etwas düstere Lucien, den ich für seine ganze Art mag und den ich einfach nur in den Arm nehmen möchte.
Alles in allem bin ich sehr froh, dass Autorin und Verlag beschlossen haben, sowohl Cassie und Auri, als auch Lucien und Aliza mehr Raum in einem eigenen Buch zu geben. Die Someone-Reihe ist eine New-ADult-Trilogie, die ich gern allen ans Herz legen möchte.
Bibliographische Angaben zur Someone-Trilogie von Laura Kneidl
Someone New* (Laura Kneidl)
Verlag: LYX; Auflage: Originalausgabe, Erstausgabe (28. Januar 2019)
ISBN: 978-3-7363-0829-9
Seitenzahl der Print-Ausgabe: 534 Seiten
Preis: 12,90€ (Taschenbuch), 9,99€ (eBook)
Someone Else (Laura Kneidl)
Verlag: LYX; Auflage: Originalausgabe, Erstausgabe (27. Januar 2020)
ISBN: 978-3-7363-1121-3
Seitenzahl der Print-Ausgabe: 415 Seiten
Preis: 12,90€ (Taschenbuch), 9,99€ (eBook)
Someone To Stay* (Laura Kneidl)
Verlag: LYX; Auflage: Originalausgabe, Erstausgabe (16. Oktober 2020)
ISBN: 978-3-7363-1452-8
Seitenzahl der Print-Ausgabe: 424 Seiten
Preis: 12,90€ (Taschenbuch), 9,99€ (eBook)
* Die Rezensionsexemplare der Someone-Reihe wurden mir freundlicherweise vom LYX-Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Dies hat meine Meinung jedoch nicht beeinflusst.

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