Das wir nach wie vor knietief in einer patriarchalen Welt leben, ist an sich nichts neues. Das sie uns eigentlich am Ende allen schadet ebenso nicht. Und dennoch gibt es nicht nur nach wie vor viele Menschen, die das nicht wahr haben wolle, sondern auch bewusst die Augen davor verschließen, weil sie vermeintliche Vorteile für sich daraus ziehen. Oft kommt feministische Literatur da nicht wirklich ran, denn sie appelliert an die philanthropische Idee, das alle Menschen gleiche Möglichkeiten haben sollten. In seinem Buch Was Männer kosten –Der hohe Preis des Patriarchats* geht Boris von Heesen einen eklatanten Schritt weiter, denn er packt unsere Gesellschaft genau dort, wo es ihr weh tut: beim Geld.
In drei Teilen aus der Krise
Das Buch ist dabei in drei Teile untergliedert: in messbare und nicht messbare Kosten – und in Lösungswege. Während es irgendwie beruhigend ist, gleich im Inhaltsverzeichnis zu sehen, dass der Autor freundlicherweise ein paar Ideen im Gepäck hat, wie wir das verdammte Problem endlich in den Griff bekommen, ist es beim Lesen der ersten beiden Teile auch wirklich nötig, das im Hinterkopf zu behalten. Kapitelüberschriften wie “Eingesperrte Männer – Kosten durch Gefängisaufenthalte”, “Berauschte Männer – Kosten durch Süchte” und “Fußballromantik – Kosten durch Hooligans” gehen sehr akribisch in die Details und warten mit schockierenden Zahlen auf. Gleiches gilt für die nicht messbaren Kosten, in denen es sowohl um erdrückende Zahlen zu Lebenserwartung, Frauenhass und Rechtsextremismus geht. Beide Teile werden von je einem Kapitel “aus der Vogelperspektive” abgerundet, in dem die Inhalte noch einmal verwoben und größer betrachtet werden.
“Es gibt ein unsichtbares Band, das die Ungerechtigkeiten zwischen den Geschlechtern in dieser Gesellschaft jeden Tag von Neuem miteinander verwebt.”
Boris von Heesen, Was Männer kosten – Der hohe Preis des Patriarchats* (S. 9)
Traurige Spitzenreiter – fast überall
Die Zahlen, die Boris von Heesen teilt, sind dabei wirklich schwer verdaulich. 93, 1 % der Gefängnisinsassen im Jahr 2021 waren z. B. männlich, fast doppelt so viele Kosten durch Verkehrsunfälle wurden von Männern verursacht und pro Saison kosten Hooligans bei Fußballspielen 165 Mio. Euro.
Deutlich merkt man dabei auch, dass es dem Autor ausschließlich darum geht, hier Licht ins Dunkel zu bringen und es hier kein übertriebenes “Männer sind an allem Schuld” suggeriert werden soll. Dass die Zahlen so sind, wie leider deutlich ersichtlich, zeigt sich u. a. auch darin, dass einige der Statistiken durchaus auch von Frauen angeführt werden.
Klappentext von Was Männer kosten – Der hohe Preis des Patriarchats*
“Gewalt, Unfälle, Sucht, Diskriminierung, Hate Speech und Extremismus – Männer dominieren die Statistiken des Abgrunds: Sie verursachen doppelt so viele Verkehrsunfälle, begehen mit Abstand die meisten Straftaten und belegen deshalb auch 94 Prozent der Plätze in deutschen Gefängnissen. 75 Prozent der Alkoholtoten jedes Jahr sind männlich und mehr als 80 Prozent der häuslichen Gewalt geht von Männern aus.
Diese Zahlen stehen nicht nur für Schmerz und Trauer – sie verursachen auch immense Kosten. Boris von Heesen trägt erstmals Schritt für Schritt zusammen, wie hoch der Preis ist, den wir alle für toxische männliche Verhaltensweisen bezahlen: Über 63 Milliarden Euro kosten sie dieses Land jedes Jahr – mindestens. Er erläutert die Ursachen und zeigt Wege auf, wie wir diesem dramatischen Ungleichgewicht begegnen können: indem wir eine Gesellschaft schaffen, in der alle Geschlechter ihre Potentiale frei von patriarchalisch geprägten Klischees und festgefahrenen Rollenmustern entwickeln können.” (Quelle)
Vorstandposten und Parlamentssitzen – und eben auch die andere Seite der Medaille: Was das Patriarchat mit unserer Gesellschaft macht
Persönlich hat mir gut gefallen, dass der Autor auch einige durchaus monetisierbare Themen in den zweiten Komplex des Buches geschoben hat, da Themen wie Suizid schon aus ethischen Gründen nicht mit Geldsummen versehen werden sollten. Auch verzichtet er im Einzelnen auf den Begriff der toxischen Männlichkeit, um kein Gefühl von “Männer sind halt immer toxisch. Punkt.” zu erzielen und verwendet hier ausschließlich die Begrifflichkeit der Systeme toxischer Männlichkeit, für Bewegungen, die sich eine Dominanz und Abwertung Frauen gegenüber wünschen.
Schwierig fand ich bisweilen die nicht immer klare Trennung zwischen Geschlecht und Geschlechtsidentität (als sex und gender) bzw. die etwas zu banale Reduktion auf Mann/Frau, wobei sich dank der Thematik natürlich auch argumentieren lässt, dass hier sehr deutlich von (weißen) cis-hetero-Männern gesprochen werden kann – und dem gegenüber alle anderen stehen. Auch aus statistischen Gründen ergibt das tatsächlich Sinn, denn viele der Erhebungen stammen noch aus der Zeit vor 2020 – und ermöglichten daher die Angabe anderer Geschlechteridentitäten leider noch nicht.

Titel: Was Männer kosten – Der hohe Preis des Patriarchats*
Autor: Boris von Heesen
Formate: Broschiert und eBook
Erschienen am 9. Mai 2022 bei Heyne
ISBN: 978-3-453-60624-1
Kurzmeinung: Dank Patriarchat finden wir noch immer fast nur Männer auf Vorstandposten und Parlamentssitzen. Aber auch die unangenehmen Statistiken werden von Männern angeführt, ein Umstand der die Gesellschaft enorm viel kostet. Boris von Heesen fördert in seinem Buch viele Zahlen und Statistiken zu Tage, die ein trauriges Bild zeichnen. Ein Lichtblick sind seine Lösungsvorschläge.
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* Das Rezensionsexemplar von “Was Männer kosten” wurde mir freundlicherweise vom HEYNE-Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Dies hat meine Meinung jedoch nicht beeinflusst.