Dürfen es heute ein paar Jane-Austen-Vibes in einem schaurigen und magischen Gewand sein? Ja? Dann wird euch “Treason of Thorns” von Laura Elyse Weymouth gefallen. Der Fantasy-Standalone, dessen deutsche Übersetzung diesen Herbst bei cbj erschienen ist, wartet mit der magischen Seele eines Hauses, einem düsteren Ambiente und einer Protagonistin, die ihr Herz auf der Zunge trägt, auf. Vorhang auf für Violet Sterling und Burleigh House.
Nach sieben Jahren im Exil kehrt die siebzehnjährige Violet in ihr Zuhause, nach Burleigh House, zurück. Nach dem Tod ihres Vaters ist sie als nächste Hüterin des Hauses bestimmt. Denn Burleigh House ist kein gewöhnliches Haus. Es ist ein Ort der Magie, ein lebendiges Wesen – und bestimmt darüber, ob es der umliegenden Gegend gut geht oder nicht. Leider läuft diese Rückkehr nicht so, wie geplant und die Seele ihres Hauses leidet entsetzliche Qualen. Kann Violet es noch retten – oder sind am Ende die Menschen dann doch wichtiger?
Jane Austen meets some magical vibes
Die spannende Idee, unbelebten Dingen eine Seele einzuhauchen, hat mich von Anfang an begeistert. Dazu das Setting des Buches, in England des neunzehnten Jahrhunderts – kommen da auch bei euch direkt Jane-Austen-Vibes auf? Eben. Diese Mischung ist anders, sie ist interessant. Noch dazu, da es eine unleugbare düstere Grundstimmung in der Geschichte gibt, die mich zunächst überrascht hat.
Violets Aufgabe ist nicht leicht. Und so wird die Handlung mit einer etwas sturen, aufbrausenden und überforderten Protagonistin versehen, mit der die Lesenden mitfiebern können. Das ist nicht immer ganz einfach, denn Violet ist nicht einfach. Doch schnell verspürt man als Lesende das Gefühl, dass das auch gewollt ist: Ähnlich wie sich Violet und Burleigh House erst einander annähern müssen, müssen es auch Leser*in und Protagonistin.
Die lebende Seele eines Hauses
Dass ihre Familie dabei seit jeher die Hütenden von Burleigh House sind und Violet ihr Leben lang darauf vorbereitet wurde, eines Tages diesen Job zu übernehmen und dieses Haus über alles andere zu stellen, macht es für sie nicht unbedingt leichter. Denn der Druck ist hoch: Als eines der fünf Länder, entscheidet das Wohlergehen des Hauses und die dadurch entstehende positive Magie darüber, ob es der Bevölkerung gut geht.
Gerade diese Konstellation mit dem Haus als weiterem Hauptcharakter, hatte es mir wirklich angetan. Die Idee hat mich kurz an die Interaktionen zwischen Nesta und dem Haus des Windes im fünften ACOTAR-Teil “Silbernes Feuer” erinnert. Auch wenn die Parallele da auch direkt aufhört. Anders als Haus und Protagonistin, mit denen sich sehr gut mitleiden lässt, blieben die Nebencharaktere etwas blass. Dies mag aber auch der Tatsache geschuldet sein, dass es sich hierbei um einen Standalone handelt, also schlichtweg weniger Platz zum Ausweiten vieler Nebengeschichten ist. Da die Geschichte stark auf Violet fokussiert ist, hat mich das beim Lesen jedoch auch nur selten gestört.
Klappentext von Buch
“Ein guter Hüter stellt sein Haus über alles. Über den König, über das Land, über die Familie, über sein eigenes Leben.
Violet Sterling hat die letzten sieben Jahre im Exil verbracht und sehnt sich zurück nach Burleigh House. Als eines der sechs Großen Häuser Englands brachte Burleighs Magie einst der ganzen Gegend und auch Violet Glück und Zufriedenheit. Zumindest bis der Verrat ihres Vaters alles zerstörte. Jetzt, nach dessen Tod, hat Violet die Chance, in ihr Zuhause zurückzukehren. Aber Burleigh ist nicht mehr so wie in ihrer Erinnerung. Die Seele des Hauses schreit vor Trauer und Schmerz. Während seine gequälte Magie das Land verwüstet, muss Violet entscheiden, wie weit sie bereit ist zu gehen, um ihr Haus zu retten – bevor ihr Haus alles zerstört, was sie je gekannt und geliebt hat.” (Quelle)
Violet Sterling, die Protagonistin
Interessant ist an dem Buch die Ich-Perspektive im Präsenz. Ich empfinde diese immer als etwas actiongeladener – denn anders als in der Vergangenheitsform, bei der ich als Lesende das Gefühl habe, jemand erzählt eine Geschichte, die wann auch immer mal passiert ist, habe ich hier das Gefühl, live dabei zu sein. Und das macht besonders viel Spaß aus den oben genannten Gründen, denn neben den beiden menschlichen Protagonist*innen gibt es da eben noch das lebende Haus. Aber reden wir einmal über Violet. Violet, die menschliche Protagonistin, die in diversen Rezensionen als kindisch beschrieben wird.
Zu Erinnerung: Die junge Frau ist siebzehn – und damit etwas mehr als halb so alt wie ich. Es wäre daher schlicht nicht fair, wenn ich ihr kindisches Verhalten vorwerfen würde. Denn besonders reif verhält sie sich oftmals wirklich nicht: Sie redet viel über Veränderungen – setzt aber wenig um. Sie jammert viel. Aber das muss sie auch. Denn sie ist siebzehn und mit einem Mal nicht nur verantwortlich für eine ganze Region, sondern muss auch noch weitere ungeahnte Hürden überwinden. Ich überlege nochmal kurz, welche Hürden das waren, als ich siebzehn war…ja das waren andere, aber ich war genauso neben mir.
Auch hier lässt sich sagen, dass sich aus dem Buch noch mehr hätte rausholen lassen und es ist schade, dass das nicht passiert ist. Den Lesegenuss stört das jedoch nur zweitrangig und nach wie vor überwiegt hier meine Freude, einen spannenden Fantasy-Standalone gelesen zu haben.
Was für ein Schreibstil!
Laura Elyse Weymouth hat mit ihrem fast schon poetischen Schreibstil einen düsteren und atmosphärischen Roman geschaffen, bei dem man Lust auf weitere ihrer Bücher bekommt. Im Englischen gibt es bereits weitere Geschichten von ihr – die hoffentlich bald ins Deutsche übersetzt werden.

Titel: Treason of Thorns – Kalte Magie, flammender Zorn (Original: “Treason of Thorns”)*
Autorin: Laura Elyse Weymouth
Formate: Broschiert und eBook
Erschienen am 9. November 2022 bei cbj/cbt, übersetzt von Petra Koob-Pawis
ISBN: 978-3-570-31531-6
Kurzmeinung: Treason of Thorns ist ein gelungener Fantasy-Standalone mit einem Hauch Jane Austen im England des 19. Jahrhunderts, nebst Häusern mit Verstand, Seelen und einer aus ihnen hervorkommenden Magie. Zwischendrin etwas langatmig und dann mit einem überraschend schnellen Ende, ist das Buch ein schönes Abenteuer für zwischendurch von einer Autorin, die man im Blick behalten sollte.
Zur Verlagsseite
* Das Rezensionsexemplar von “Treason of Thorns” wurde mir freundlicherweise vom cbj Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Dies hat meine Meinung jedoch nicht beeinflusst.