Bei einer meiner nächtlichen Wanderungen durch das Dussmann Kulturkaufhaus habe ich das neue Buch von Mia Kankimäki zufällig entdeckt und sowohl das bunte Cover als auch der Klappentext hatten mich sehr beeindruckt, sodass es kurze Zeit später bei mir einziehen durfte. Obwohl ich schon einiges über “Dinge, die das Herz höher schlagen lassen”, das erste Buch der finnischen Autorin gehört habe, hatte ich bisher keine Gelegenheit, hineinzulesen – nun sollte also “Frauen, an die ich nachts denke”* mein erstes Buch von ihr werden.
Auf den Spuren meiner Heldinnen
Gereizt hatte mich auch der Ansatz des Buches. Ich-Erzählerin Mia (man könnte also auch sagen: die Autorin selbst) verkauft zu Beginn des Buches mit Anfang vierzig ihre Wohnung und im Grunde genommen alles, was sie besitzt. Sie kündigt ihren Job und beschließt, die Orte auf der Welt zu bereisen, an denen ihre Heldinnen gewirkt haben. Während ihre Freund*innen Häuser bauen und Familien gründen, macht sich Mia also auf den Weg, die Spuren ihrer Nachtfrauen zu erforschen. So bezeichnet sie sie, weil sie vor allem während zahlreicher schlafloser Nächte immer wieder an sie gedacht hat, um über diese Gedanken einen Sinn in ihrem eigenen Leben zu sehen.
Und so folgen die Lesenden Mia auf ihrer Reise nach Tansania, Kenia, nach Japan, Florenz und viele weitere Orte.
Interessante Heldinnen-Wahl
Die bunte Mischung der ausgesuchten Nachtfrauen deutete ich zunächst als Pluspunkt. Statt hier auf die üblichen Verdächtigen zu setzen, bringt Mia Kankimäki größtenteils mir bisher gänzlich unbekannte Frauen mit. Längst nicht alle sind mir persönlich als Heldin sofort angenehm gewesen, wie etwa die für ihren sehr feudalen und eurozentristischen Blick auf Afrika bekannte, dänische Autorin Karen Blixen (“Jenseits von Afrika”), deren Faible für Großtierjagd und die Beschäftigung Minderjähriger auf ihrer Farm in Nairobi weitestgehend unkritisiert bleiben.
Das Schöne wiederum ist die tagebuchartige Struktur des Buches, sodass ich den Teil um Karen Blixen getrost überspringen konnte, nachdem ich dann doch keine Lust mehr hatte, weiterhin über eine Frau zu lesen, der offenbar nichts so wichtig war, wie der Adelstitel ihres Ex-Mannes. Die Vielfalt der zehn ausgesuchten Heldinnen zeigt indes auch in vielen kleinen Details wie schwer es Frauen unterschiedlichen Metiers, unterschiedlichster Epochen und geografischer Lagen seit jeher hatten.

Klappentext von “Frauen, an die ich nachts denke”*
“Mia, Anfang vierzig, hat den Job gekündigt, die Wohnung verkauft, und während andere Familien haben und Sommerhäuser kaufen, denkt sie während zahlloser schlafloser Nächte an Frauen – und das hat nichts mit Sex zu tun, sondern mit der Suche nach dem Sinn des Lebens! Ihres Lebens! Ihre Nachtfrauen – furchtlose Entdeckerinnen, begabte Schriftstellerinnen und leidenschaftliche Künstlerinnen – sind Schutzheilige, die sie um sich versammelt, um sich den Weg weisen zu lassen. Und eines Tages beschließt sie, Ernst zu machen, die Welt zu bereisen und den Spuren ihrer Nachtfrauen wirklich zu folgen – Karen Blixen nach Tansania, Sei Shōnagon nach Japan, vergessenen Renaissance-Malerinnen nach Florenz. Denn wenn diese Frauen es vor Hunderten von Jahren in die Welt geschafft haben, warum sollte Mia das dann nicht auch können?” (Quelle)
Ein schönes Leseerlebnis
Auf 560 Seiten verwebt Mia Kankimäki die Geschichten ihrer zehn Heldinnen. Dabei versucht sie – und es war eine angenehme Erfahrung, ihren Struggle dabei zu bemerken – sich selbst und ihren eigenen Platz auf der Welt aus diesen Dingen abzuleiten. Am Ende hätte das Buch für mich etwa hundert Seiten kürzer sein können (ich sage jetzt auch nicht, dass man hätte Blixen streichen können, weil neun ja auch eine schöne Zahl ist) – aber dennoch habe ich das Buch und die wirklich angenehme Übersetzung von Stefan Moster sehr genossen.
Nach dem Lesen bleibt daher bei mir eigentlich vor allem eine Frage offen: Welche Heldinnen wären es bei mir? Ich habe das Gefühl, dass das durchaus eine interessante Artikelreihe werden könnte. 🙂

Titel: Frauen, an die ich nachts denke (Original: “Naiset joita ajattelen öisin”)*
Autorin: Mia Kankimäki
Formate: Broschiert und eBook
Erschienen am 16.05.2022 bei btb, übersetzt von Stefan Moster
ISBN: 978-3-442-71935-8
Kurzmeinung: Eine tagebuchartige Reise, um Grund und Ziel des eigenen Lebens zu finden – in Form einer Spurensuche in den Leben zehn großartiger Frauen. Eine spannende Weltreise der Ich-Erzählerin, die mit kleinen Längen und einer etwas fragwürdigen Liste an Heldinnen daher kommt – aber dennoch ein großes Lesevergnügen beschert.
Zur Verlagsseite
* Das Rezensionsexemplar von “Frauen, an die ich nachts denke” wurde mir freundlicherweise von der Verlagsgruppe Penguin Randomhouse kostenfrei zur Verfügung gestellt. Dies hat meine Meinung jedoch nicht beeinflusst.